Sonntag, 31. Oktober 2010

Der Anruf

This is my last call to you
Then I’ll give up everything
That we had, that we’d do
And you’ll never hear me sing
All these songs about you
So just take this time and think
Just take this time and think

Think about the things that we had
The good times before they went bad
They’re not gone just yet
It’s all up to you

Think about the dreams in our heads
Layin’ awake, holding on in my bed
Why don’t you go ahead
And make them come true
I still believe in you

This is my last call to you
Then I’ll give up everything
That we had, that we’d do
And you’ll never hear me sing
All these songs about you
So just take this time and think
Just take this time and think

Think about the plans that we made
Drivin’ around while the radio played
They may have gotten delayed
But they’re waiting for you

Think about the look in my eyes
Saying I love you the very first time
Focused, not blind
And you said it too
I still believe in you

This is my last call to you
Then I’ll give up everything
That we had, that we’d do
And you’ll never hear me sing
All these songs about you
So just take this time and think
Just take this time and think

Think of everything
Think of everything we had
Think of everything
Think of everything we haven’t had

Like livin’ in the Midwest Club
Goin’ on our honeymoon in Paris
Makin’ out when we’re grown up
Listening to the best man speech from Darren
Think of everything we had
Knowing how it feels to be in love
And kisses that would drive us mad

Going to the Metro
Giving up what we will never have again
Will it ever be the two of us again?

This is my last call to you
Then I’ll give up everything
That we had, that we’d do
And you’ll never hear me sing
All these songs about you
So just take this time and think

Plans we made but didn’t see through
Just take this time and think
Memories, me and you
Just take this time and think
Dreams we had that never came true
Just take this time and think

The look in my eyes lookin’ at you
Just take this time and think
Just take this time and think
Just take this time and think


- Last Call * The Plain White T’s



- Amy -

Das Zwitschern der Vögel weckte mich. Es war noch früh, dämmerte gerade erst.
Doch als ich die Augen aufschlug, war ich sofort hellwach. Ich wusste sofort, wo ich war.
Seths heiße Arme waren um mich geschlungen und hielten mich ganz nah bei sich. Ich hob leicht den Kopf, um in sein Gesicht blicken zu können. Seth war noch am Schlafen. Sein wunderschönes Gesicht war von einem friedlichen Lächeln bedeckt und brachte auch mich zum Lächeln.
Manchmal machte das Leben einem die allerschönsten Geschenke, ohne dass man wusste, womit man sie verdient hatte.
Seufzend betrachtete ich sein Gesicht.
Schlafend sah Seth aus wie ein Engel. Ich prägte mir jedes Detail seines Gesichts ganz genau ein.
Ich hatte es in der Hand über unsere Zukunft zu entscheiden. Klar würde ich am liebsten hier bleiben, aber was war mit den anderen?
Zum einen vermisste ich meine Freunde. Ich hatte sie seit fast anderthalb Monaten nicht gesehen.
Aber ich war mir sicher es auch ohne sie hier zu überstehen. Wir hatten immer noch Telefon und Internet, und meine neuen Freunde liebte ich mindestens genauso sehr wie die im anderen Washington.
Aber würde das Mum, Dad und vor allem Tyler genauso gehen? Außer der Familie meines Onkels kannten sie hier doch niemanden. War ich also selbstsüchtig genug, um alles in D.C. aufzugeben um hier neu anzufangen? Um bei Seth zu bleiben?
Als hätte ich seinen Namen laut gesagt, drehte er sich verschlafen auf den Rücken und hob eine Hand von meiner Taille, um sich damit über die Augen zu fahren.
Er streckte sich müde, gähnte und kniff die Augen noch einmal zusammen, bevor er sie aufschlug.
Sein Blick war überwältigend wie eh und je. Wie sehr ich allein diesen Blick liebte! Meine Abhängigkeit von ihm kam mir fast krankhaft vor. Was konnte ich dagegen tun, dass mein Herz jedes Mal zu rasen begann, wenn ich ihn sah?
Aber wollte ich überhaupt etwas dagegen tun?
Ich wusste, dass die Antwort Nein war. Es sollte für immer so bleiben.
„Guten Morgen“, hauchte Seth mir zu. Seine vertraute Stimme klang noch verschlafen und heiser vom langen Schweigen.
„Guten Morgen“, lächelte ich glückselig zurück. „Gut geschlafen?“
Auch er lächelte, so breit wie immer. „Hätte nicht besser sein können. Weißt du, du hast eine beruhigende Wirkung. Ich bin nicht einmal aufgewacht und meine Träume waren sonderbar friedlich.“
„Ging mir nicht anders.“ So gut wie in seinen Armen hatte ich noch nie geschlafen. Dass ein Wolf neben mir lag, machte mir überhaupt nichts aus.
„Das ist schön.“ Seth beugte sich zu mir hinüber und küsste mich sanft auf die Stirn. Bei seiner Berührung schloss ich die Augen.
Es war wirklich nicht normal, dass ich jedes Mal vor Glück explodieren konnte, wenn er das tat. Es war wirklich nicht normal.
„Willst du schon aufstehen?“, fragte er mich sanft.
„Was wäre die Alternative?“
„Hmmm.“ Seth lehnte sich wieder zu mir und küsste erneut meine Haare. „Liegen bleiben, vielleicht?“ Seine dunklen Augen strahlten.
Ich tat, als dachte ich ernsthaft darüber nach und unterdrückte ein Grinsen. „Aufstehen hört sich doch gut an …“
Aber als Seth mich missbilligend musterte und eine Augenbraue hochzog, fing ich an zu lachen.
„Irgendwann.“ Grinsend legte ich meinen Kopf an seine Brust, während Seth den Kopf schüttelte.
Wir schwiegen und genossen unser Zusammensein. Es gab keine passenden Worte um zu beschreiben, was ich fühlte; wir fühlten.
Keine passenden Worte für das Gefühl, wenn er mich anschaute, wenn er mich in seinen Armen hielt, wenn er mich küsste.
Es war viel zu unbeschreiblich.
Seths dunkle Haut glühte unter meinen Fingern, als ich behutsam darüber strich. Er war so weich und zart und warm. Wie angenehm es mit ihm erst im Winter werden würde. Nie mehr müsste ich frieren.
Wenn er im Winter bei mir war.
In Washington.
In welchem und mit wem stand noch in den Sternen.

Die Sonne ging auf und im Zelt wurde es langsam heller.
Seths Haare standen in alle Richtungen von seinem Kopf ab und ich wollte gar nicht wissen, wie schlimm ich aussah.
Ein grummelndes Geräusch ließ mich verwirrt aufhorchen. Seth lachte und schaute mich verlegen an.
„Willst du auch frühstücken?“
Es dauerte einen Moment, dann verstand ich und verdrehte lächelnd die Augen. Seth wartete auf seine Antwort.
„Klar“, sagte ich schnell.
Wir richteten uns halb auf und Seth öffnete das Zelt.
Als ich in die kühle Morgenluft kroch, merkte ich erst, wie warm und stickig es im Zelt gewesen war. Seth hatte es ziemlich aufgeheizt.
Hier draußen war die Luft klar. Noch war der Himmel über uns wolkenfrei, doch am Horizont über dem Meer zogen bereits die ersten Wolken auf.
Seth nahm meine Hand und führte mich zur Feuerstelle. Das feuchte Gras unter meinen nackten Füßen kitzelte.
Ich setzte mich auf einen der Holzstämme, die die Aschereste umgaben und schaute Seth dabei zu, wie er die Kühlboxen nach etwas Essbarem durchsuchte. Er gab sich große Mühe leise zu sein, da wir scheinbar die ersten waren, die auf waren.
Auf den Klippen war es ruhig, ich hörte nur Seth, die Brandung und die Vögel im Wald.
„Hier“, sagte Seth und reichte mir ein Brötchen. „Mehr kann ich nicht finden.“
„Danke.“
Er setzte sich neben mich und wir blickten essend aufs Meer.
„Was willst du heute machen?“, fragte er mich lächelnd.
Ich überlegte kurz. „Sieht nach Regen aus … Vielleicht einfach vorm Fernseher gemütlich machen und DVDs gucken?“
Sein Lächeln wurde breiter. „Hört sich gut an. Zuhause haben wir auch mehr zu essen.“ Sein leises Lachen brachte mich wieder zum Schmunzeln.
Gleichzeitig fuhren wir herum, als hinter uns ein Reißverschluss aufgezogen wurde. Kim kam aus ihrem Zelt gekrochen, gefolgt von Jared.
„Guten Morgen“, sagten sie leise, als sie uns erreichten. Kim setzte sich grinsend an meine andere Seite, während Jared genau wie Seth begann, sein Frühstück zu suchen.
„Es ist nichts mehr da, Mann“, sagte Seth. Er warf ihm eins seiner Brötchen zu. „Hier, das kannst du haben.“ Eins reichte er Kim.
„Es ist wirklich nichts mehr da?“, fragte Jared, der das Brötchen schon verdrückt hatte, als er sich gerade hinsetzte.
Seth schüttelte den Kopf. „Nichts. Wir haben gestern Abend wiedermal alles weggegessen. Wir gehen gleich erst mal nach Hause und frühstücken richtig, oder Amy?“
Ich knabberte immer noch an meinem Brötchen herum und sah ihn lässig an. „Also mir reicht das erst mal.“
Er legte seinen Kopf schief und sah mich sanft lächelnd an. Der Blick, mit dem er mich zu allem überreden konnte. Er sah aus wie ein Engel und warf mich wie immer komplett aus der Bahn.
Ich versuchte klar zu denken und seufzte. „In Ordnung.“
Sein Lächeln wurde triumphierend und er verzauberte mich weiter.
Es war vollkommen unglaublich, was momentan in meinem Leben ablief. So viel Glück konnte man gar nicht haben.
Unsere traute Zweisamkeit des verträumten Anlächelns wurde durch Jared unterbrochen, der anfing zu kichern, und durch Collin, der aus seinem Zelt kroch. Kurz nach ihm kam Leah aus ihrem Zelt, es folgten Emily und Sam.
Es wurde lauter um die Feuerstelle herum und immer mehr Leute tauchten auf.
Während Emily und Leah beschäftigt waren, Listen zu schreiben, wer was frühstücken wollte, stand Seth auf und führte mich zurück zu unserem Zelt.
Als er sich zu mir umdrehte, lächelte er immer noch. „Was hältst du von einem stillen Frühstück zu zweit? Bei uns zu Hause vor dem Fernseher, Film nach Wahl.“
„Ich bin dabei.“ Natürlich war ich lieber mit ihm allein und ich wusste schon jetzt, was es für ein wunderschöner, entspannter Tag werden würde.
„Sehr gut.“ Seth nahm mich in seine starken warmen Arme. Ich bekam eine Gänsehaut, weil seine Haut so ein starker Gegensatz zur kühlen Morgenluft war.
„Packen wir jetzt gleich zusammen und machen uns auf den Weg?“, fragte er mit heiser klingender Stimme in meinem Ohr.
Ich nickte nur an seiner Brust, mal wieder zu betört von seinem Duft. Sein kleines, leises Lachen ließ mich erröten.
„Ich liebe dich“, flüsterte er mir ins Ohr.
Nicht zum ersten Mal in diesen Wochen wünschte ich mir, man könnte Momente wie diesen wirklich in Marmeladengläser packen und in schlechteren Zeiten wieder hervor holen. Dann könnte man immer wieder von seinem vollkommenen Glück kosten. Natürlich würde das Glas nie leerer werden. Es wäre immer randvoll und dieser Moment für alle Ewigkeiten griffbereit.
Aber er würde für immer da sein. Nicht in einem Marmeladenglas, aber in meinem Herzen. Dort würde es immer nur Platz für Seth geben, dass wusste ich, aber es gab dort unglaublich viel Platz für ihn.
Mehr als für irgendjemanden sonst.
Soviel, wie er wollte.
Mehr als für mich selbst.
Im Grunde war er mein Herz.
Von dem Moment, indem ich ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte er es komplett eingenommen. Entflammt. Verzaubert.
Er hatte es einfach vollkommen ausgefüllt und ich fragte mich, was dort gewesen war, bevor er kam, aber ich wusste es nicht mehr.
„Ich liebe dich auch“, hauchte ich zurück und spürte seine Lippen auf meinem Haar.
Sanft löste er sich von mir und zog mich ins Zelt. „Komm“, sagte er.

Wir räumten unsere Sachen zusammen, stellten sie vors Zelt und bauten es ab. Als es fertig verstaut auf dem Gras neben Angelas Schlafsack und unseren Taschen lag, war die Sonne schon längst aufgegangen und die Wolken vom Meer näher gekommen. Es würde nichtmehr lange dauern, bis es anfing zu regnen. Vielleicht würde es auch Gewitter geben, die Luft kam mir jetzt schon ziemlich aufgeheizt und drückend vor, aber eventuell lag das auch nur an der Nähe der vielen Wölfe.
Auch einige der anderen bauten bereits zusammen, der Großteil wartete jedoch an der Feuerstelle auf Emily, Leah und das Frühstück.
Seth nahm das Zelt und die Taschen unter seinen einen Arm und legte mir den anderen um die Schulter. Ich trug den Schlafsack.
Gemeinsam gingen wir an den anderen vorbei in Richtung La Push und verabschiedeten uns kurz.
Jareds Blicke und sein Gekicher waren das Schlimmste, wurden aber durch Kims mitfühlenden Blick entschuldigt.
Seufzend ließen wir sie zurück und machten uns auf den Weg.
Es war nicht weit bis ins Dorf und die Straße führte bergab. Wir brauchten keine zehn Minuten, bis wir den Dorfladen erreichten.
Noch war das Meer ruhig, doch der Strand war nicht so bevölkert wie am Morgen zuvor. Die Touristen waren noch nicht da, einzig ein paar Einheimische waren in den sanften Fluten zu finden.
Vor dem Laden sahen wir Sams Wagen stehen, Leah und Emily besorgten also noch das Frühstück.
Arm in Arm bogen wir in eine Nebenstraße ab und folgten ihr auf den kleinen Hügel. Von oben hatte man einen wunderschönen Blick über die Bucht, der nur von einigen Tannen eingeschränkt wurde.
Seth nahm den Arm von meiner Schulter, kramte in der Tasche seiner Shorts nach dem Schlüssel und führte mich schließlich hinein.
„Willkommen zurück“, murmelte er und lächelte mir wieder zu.
Ich legte meinen Schlafsack neben unsere Sachen in den Flur und folgte ihm in die Küche.
„Irgendwelche speziellen Wünsche zum Frühstück, Miss Westwood?“, fragte Seth mich in höflichem Ton, den Kopf leicht geneigt, von oben auf mich herabschauend.
Ich antwortete im selben Tonfall und Auftreten. „Was immer sie mir anbieten, Mr Clearwater.“
Er begann zu lachen und öffnete den Kühlschrank. „Okay“, sagte er, „Wir haben … Hmmm … Was hältst du von Croissants?“
„Gern.“ Ich stellte mich neben ihn und schielte in den Kühlschrank.
„Gut.“ Er nahm die Tüte heraus und legte sie auf die Anrichte. Schnell stellte er den Ofen an, holte ein Backblech heraus und öffnete die Tüte. Ich setzte mich auf die Anrichte und schaute ihm zu, wie er alle Croissants auf das Blech packte und es schließlich in den Backofen schob.
„Die brauchen jetzt 10 Minuten. Was willst du dazu?“ Seth drehte sich zu mir herum. Aber ich war schon wieder viel zu verträumt um zu antworten. Irgendwann würde er zu viel davon haben, wie sehr ich ihn anhimmelte.
Langsam kam er schmunzelnd auf mich zu und stellte sich vor mich.
„Was ist?“ Er klang ein wenig irritiert.
Sein Atem verwirrte mich noch mehr und ich zwang mich zur Kontrolle.
Ich schüttelte den Kopf, schloss die Augen und biss mir auf die Unterlippe.
„Habt ihr noch Erdbeermarmelade?“, fragte ich so selbstbewusst, wie es mir in dem Moment möglich war.
Er fing wieder an zu lachen und schlang seine Arme um mich. „Soviel, wie du gar nicht essen kannst.“
Er kicherte immer noch, doch ich erstickte es mit meinen Lippen.

10 Minuten später waren wir gerade soweit, uns klar zu machen, dass das Frühstück fertig war. Wiederwillig ging Seth zum Ofen um die fertigen Croissants herauszuholen, ich sprang von der Anrichte, immer noch leicht benommen, und strich mir mein Haar zu Recht. Dann nahm ich Marmeladen und Erdnussbutter aus dem Kühlschrank, balancierte Teller und Besteck in der anderen Hand umher und trug alles auf den kleinen Couchtisch im Wohnzimmer. Seth folgte mir mit dem Blech, zwei Gläsern und einer Karaffe Orangensaft.
„Das duftet himmlisch“, sagte ich, als ich ihm dabei zusah, wie er mir ein Croissant auf den Teller legte. Der Geruch nach ihnen breitete sich im ganzen Haus aus.
„Hier.“ Er reichte mir lächelnd den Teller. „Auf das es ihnen gut schmecke, Miss Westwood.“
Ich verdrehte die Augen. „Danke.“
„Immer zu ihren Diensten.“ Er lächelte noch immer, wie schon den ganzen Tag, die ganzen letzten Wochen lang, und kniete sich vor dem Fernseher nieder. „Was möchtest du gucken?“
Wir entschieden uns für einen von Seth Lieblingsfilmen. Star Wars.
Während Anakin gegen sämtliche intergalaktische Wesen kämpfte, saßen Seth und ich gemütlich auf der Couch und guckten ihm dabei zu.
Ich bekam zwei Croissants mit Marmelade, Seth verputzte den gesamten Rest.
Er knabberte an seinem vorletzten Croissant, als ich meinen Teller zur Seite stellte und mich wieder in seine Arme sinken ließ.
„Und du bist wirklich satt?“, fragte er, während er mir eine Strähne hinters Ohr strich.
„Auf jeden Fall. Danke, du hast sie wunderbar aufgebacken.“
Diesmal verdrehte er die Augen. „Ja. Ganz wunderbar … Ich sollte Bäcker werden.“
Ich schmunzelte zurück. „Ich würde sie nur bei dir kaufen.“
„Und ich würde nur für dich arbeiten.“
„Soll ich dich jetzt einstellen?“
„Du wirst mich eh nicht mehr los.“
Und dann küsste er mich wieder. Die Kämpfe der Jediritter wurden nebensächlich und verblassten immer mehr.
Es war so einfach, mit Seth zusammen zu sein. Mit ihm glücklich zu sein. Ihn zu necken. Mit ihm zu lachen. Ihn zu küssen. Ihn zu lieben.
Er war ein Geschenk des Himmels.

Vom Rest des Filmes bekamen wir nicht mehr viel mit.
Der Abspann war schon fast vorbei, als ich mich zum Tisch lehnte um etwas zu trinken. Auch Seth griff zu seinem Glas.
„Amy, du bist atemberaubend. Wortwörtlich.“ Ich schmunzelte, als er einmal tief einatmete und noch einen Schluck nahm.
„Danke.“ Auch ich atmete tief durch, immer noch überwiegend unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. „Du aber auch.“
Er lachte sein süßes Lachen und ließ sich wieder in die Sofakissen sinken.
„Was willst du jetzt gucken?“ Die Ironie schwang sowohl in meinem Lächeln als auch in meinem Unterton mit.
Während er leicht verlegen zurücklächelte und sich durch sein zerzaustes Haar fuhr, lehnte ich mich wieder zurück an seine Seite.
„Ich glaube“, sagte er und rümpfte die Nase, „ich muss mich erst mal frisch machen. Kannst du es zehn Minuten ohne mich aushalten?“
„Ich DENKE, ich könnte es überleben.“
„Bei mir wird’s schwerer“, murmelte er. „Such dir einen Film aus und fang schon mal an, ich bin sofort wieder da.“ Seth küsste mich noch einmal aufs Haar, dann kletterte er zwischen den Decken und Kissen heraus und verschwand im Flur. Seufzend stand auch ich auf und ging zum Fernseher.
Mein linkes Bein kribbelte. Es war eingeschlafen.
Einen Moment lang ließ ich meinen Blick über die DVD-Sammlung streifen, dann nahm ich ganz spontan „Frühstück bei Tiffany’s“ heraus.
Ich tauschte die DVDs aus, drückte Play und ging wieder zum Sofa.
Im Badezimmer rauschte bereits die Dusche.
Der Vorspann begann, doch kaum hatte ich das Hauptmenü erreicht, klingelte das Telefon.
Ich überlegte, ob ich abheben sollte oder nicht. Ich entschied mich dafür und hatte schon das halbe Zimmer durchquert, als es Klick machte und sich der Anrufbeantworter einschaltete.
Dann hörte ich Jareds Stimme.
„Hey Seth. Bist du da? Naja, wohl eher nicht, oder?“ Ich hörte ihn nervös lachen.
„Ähm … wenn du das hier hörst oder Sue später … okay, dann ist zu spät … wenn du das hörst komm bitte zu Emily, ja? Oder ruf erst zurück, sonst kommst du noch umsonst. Wir haben hier nämlich niemanden mit Auto und erreichen die anderen nicht. Jake und Quil sind mit den Kleinen unterwegs und Sam ist auch weg … wenn du in 10 Minuten nicht zurückgerufen hast, dann komm ich vorbei und hol euer Auto.
Valeria hat nämlich angerufen, Seth. Ja, sie ist wieder da … Jemand muss sie vom Flughafen abholen und wie gesagt – keiner zu erreichen.
Sie hat schon nach dir gefragt und kann es kaum erwarten, die wiederzusehen.“ Wieder hörte ich ein Lachen am anderen Ende der Leitung. Mir war ganz und gar nicht nach Lachen zumute.
„Sie hat Leah eben schon am Telefon von dir vorgeschwärmt. Sie muss dich wohl ganz toll in Erinnerung haben. Erklär das mal Amy … Ich mein – Valeria?! Oh Mann … Sie wird dich ganz schön beanspruchen wollen.
Ach so – wenn du Paul siehst, sag ihm, ich hab die Wette gewonnen und bekomm zehn Dollar von ihm. Meld dich, okay? Wir sehn uns.“
Die Dusche rauschte immer noch und ich stand mitten im Raum.
Ohne zu überlegen, lief ich zur Tür, trat hinaus, schlug sie wieder hinter mir zu und begann zu rennen.
Der Himmel war jetzt schwarz über mir, es donnerte bereits und erste Tropfen flogen durch die Luft.
Erst jetzt bemerkte ich die Feuchte meiner Wangen und das Schluchzen, dass die angespannte Ruhe vor dem Sturm durchbrach.
Mit dem Handrücken fuhr ich mir über die Wangen. Ich rannte weiter, bis ich die Straße erreichte.
Ich blickte nicht zurück. Wollte weder ihn, noch sein Haus sehen. Wollte nicht über Jareds Worte nachdenken.
Ich wollte einfach nur weg.
An der Straße bog ich nach rechts ab. Einige Wagen waren hier unterwegs, doch keiner hielt an, also rannte ich weiter.
Meine Lunge schien in meiner Brust zu zerbersten, doch ich ertrug den Schmerz und lief weiter. Es gab momentan weitaus schlimmere Schmerzen in meinem Inneren.
Ein Blitz zuckte über den Himmel und Sekunden später krachte es. Der Regen wurde stärker und prasselte auf mich nieder. Er vermischte sich mit meinen Tränen.
Ich riskierte den Blick zurück und eine leichte Erleichterung durchfuhr mich, als ich den dunklen Truck näher kommen sah,
Ohne nachzudenken was ich tat, lief ich auf die Fahrbahn und brachte ihn damit zum Anhalten. Der Fahrer schien irritiert, doch ich sah keine andere Möglichkeit, von hier weg zu kommen.
Ich kletterte hoch zur Beifahrertür, öffnete sie und setzte mich hinein.
Der Fahrer war eine Fahrerin, die scheinbar sowohl um meine körperliche, als auch um meine geistige Gesundheit besorgt war und mich freundlich fragte, ob sie mich mitnehmen solle.
Aus Angst, überhaupt nicht sprechen zu können, nickte ich nur und schaute aus dem Fenster.
Im Rückspiegel sah ich Seth durchnässt und verwirrt an der Straßenecke stehen und meinem LKW nachsehen.
Sollte er doch mit Valeria seinen Spaß haben.
Ich schloss die Augen und ließ meinen Tränen freien Lauf.

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