Sonntag, 31. Oktober 2010

Sommer

There will be no rules tonight
If there were we'd break 'em
Nothing's gonna stop us now
Let's get down to it
Nervous hands and anxious smiles
I can feel you breathing
This is right where we belong
Turn up the music

Oh oh oh oh

This is the dance for all the lovers
Takin' a chance for one another
Finally it's our time now
These are the times that we'll remember
Breaking the city's heart together
Finally it's our time now
It's our time now

This is more than just romance
It's an endless summer
I can feel the butterflies, leading me through it
Take my heart, I'll take your hand
As we're falling under
This is an addiction girl
Let's give in to it

- Our Time Now * The Plain White T’s



- Seth -

„Könnte ich nochmal was von dem Orangensaft haben?“ Bittend blickte ich über den Tisch zu Angela.
„Kein Problem.“ Sie lächelte mir zu und reichte Amy die Flasche, damit sie sie mir gab.
„Danke.“ Ich sah Amy tief in die Augen und sie tat das Selbe, während sie mir die Flasche reichte. Kurz senkte ich den Blick, um nichts zu verschütten, doch sobald der Verschluss wieder zugedreht war, schaute ich wieder in ihr strahlendes Lächeln. Amys Augen leuchteten zu mir hinüber und ihre Haut hatte immer noch – oder schon wieder – einen leicht dunkelroten Schimmer. Selbst nach vier Wochen hatte sich das nicht verändert.
Es war seltsam, wie schnell die Zeit verging. Dieser Sommer war mit Abstand der kürzeste aller Zeiten, darauf hätte ich gewettet. Es kam mir vor, als läge mein erstes Treffen mit Amy nur drei Tage zurück, doch die Wochen waren nur so an uns vorbeigerast. Die Erinnerungen hatten sich eingebrannt. Unvergesslich. Für immer.
Gedankenverloren nahm ich das Marmeladenbrötchen von meinem Teller und blickte weiter auf Amy. Es war nicht leichter geworden, den Blick von ihr abzuwenden oder sie zu verlassen, egal für wie lange. Ganz im Gegenteil. Der Drang, bei ihr zu bleiben, war immer stärker geworden. Ich hielt es kaum noch aus, sie spät abends allein lassen zu müssen und ihr bezauberndes Lächeln erst am nächsten Morgen wiederzusehen. Ich vermisste sie schmerzlich.
Manchmal wurde ich nachts wach und konnte nicht wieder einschlafen, bis ich ihre Nähe wieder gespürt hatte. In solchen Fällen verließ ich mein warmes Bett mitten in der Nacht, nur um sie in ihrem atmen zu hören. Dann war es noch schwerer, heimzugehen und sich einfach wieder hinzulegen. Aber es passiert in letzter Zeit immer häufiger.
Amy war mein Leben geworden. Ohne sie würde ich nicht überleben können. Ich würde Höllenqualen leiden. Sie war alles, was ich nie verlieren wollte.
Und sie schien es ebenfalls ernst zu meinen. Sie hatte mir gesagt, dass sie mich nie wieder hergeben wollte. Aber das brauchte sie auch nicht. Ich gehörte ihr schon. Für immer.
„Die Sonnencreme hast du eingesteckt, oder?“, fragte Amy ihre Cousine und biss noch einmal von ihrem Brötchen ab.
Angela runzelte kurz die Stirn. „Ich denke schon … Ja, klar, ich hab sie vorhin sofort in die Tasche gepackt, genau wie die Handtücher. Hast du noch was von dem Obst eingepackt?“
„Die vier Äpfel, die auf der Anrichte lagen und die Dose mit den Erdbeeren. Ich hab sie in die kleine Kühltasche gepackt.“
„Gut. Und ich hab dann noch die Wassermelone.“ Angela grinste von Amy direkt zu Ben, auf dessen Schoss sie saß.
Es war nicht mehr ungewöhnlich, dass ich mit ihnen zusammen frühstückte. Eigentlich war es alltäglich geworden. Amy und mich konnte man kaum noch getrennt erwischen.
Angela und Ben waren ziemlich nett und verständnisvoll. Auch wenn sie keine Ahnung hatten, wie stark unsere Verbindung wirklich war, mussten sie doch gemerkt haben, dass wir keine ganz normal verliebten Teenager waren. Doch sie hatten damit kein Problem.
Amys ganze Familie hatte mich genauso nett aufgenommen, wie meine sie.
Nach unserem ersten Besuch bei den Cullens hatte sie mich mit zur Familie ihres Onkels genommen und allen „offiziell“ vorgestellt.
Mrs Weber erschien mir zuerst zwar etwas geschockt – wahrscheinlich von meiner Größe –, aber sie hatte dann doch eingesehen, dass ich kein gefährlicher Schlägertyp war.
Amys Cousins, Joshua und Isaac, hatten mich wesentlich schneller akzeptiert. Als ich an jenem Abend noch mit ihnen Fußball gespielt hatte, eroberte ich sofort ihre Herzen. Auch wenn sie Amy manchmal auf die Nerven zu gehen schienen, ich mochte sie.
Ebenso Mr Weber. Er hatte sich nach meiner Familie erkundigt und wissen wollen, wie es uns allen ging.
Es war ein sehr netter Abend geworden und ihm waren viele weitere gefolgt. Von Frühstücken ganz zu schweigen.
Wir waren die gesamten letzten Wochen ununterbrochen zusammen gewesen. Amy und ich. Mal hier, mal in La Push. An den regnerischen Tagen hatten wir meistens die Cullens besucht. Amy verstand sich inzwischen blendend mit allen. Nur Rosalie ging ihr immer ein bisschen aus dem Weg. Aber Nessie hatte sie ins Herz geschlossen. Oft zeigte sie mir Bilder, auf denen wir glücklich zusammenwaren. Sie wollte ebenso wenig wie wir selbst, dass wir getrennt waren.
Emmett genoss die Ablenkung und hatte Freude daran, dass endlich mal wieder ein richtiger Mensch im Haus war. Seine Witze gingen jetzt meist auf unsere Kosten, aber da außer ihm meist nie jemand darüber lachte, war es nicht allzu schlimm.
Die sonnigen Tage – die nach den ersten zwei Wochen ziemlich rar geworden waren, wie Alice angekündigt hatte – verbrachten wir meistens am Strand. Zusammen mit den anderen wurde nie jemandem langweilig.
Auch für heute war wieder ein Strandtag geplant. Angela und Ben wollten ebenfalls mitkommen und mit uns den Sommer genießen, der nur zwei Tage regenfrei bleiben sollte. Unsere Quellen waren sicher.
Für heute Abend war eine Art Zeltlager geplant. Sämtliche Jugendliche aus La Push – alles Wölfe – wollten auf den Klippen Lagerfeuer machen und campen. Amy und ich wollten auch hin.
Das bedeutete, dass ich sie noch nicht mal für eine Nacht verlassen musste. Traumhafte Aussichten.
„Hast du jetzt eigentlich noch den Schlafsack gefunden?“ Wieder sprach Amy mit vollem Mund. Sie hörte sich so süß an.
„Ähm, ja, der lag oben auf dem Dachboden, direkt neben der alten Hängematte. Ich hoffe mal, er ist okay.“
„Wird schon gehen.“ Sie grinste mir zu und mein Herz fing wieder an, schneller zu schlagen. Auch das hatte sich nicht geändert. Es war noch genauso, wie am allerersten Abend.
Zwanzig Minuten später waren wir alle fertig. Die Was-wir-alles-für-den-Strand-und-für’s-Campen-brauchen-Liste war nochmals komplett durchgegangen und die fehlenden Dinge hinzugefügt worden, während Ben und ich belustigt zugesehen hatten. Mrs und Mr Weber waren an der Arbeit, Isaac und Joshua hatten sich bei Freunden einquartiert, also bekam keiner mit, wie Angela uns irgendwann anfuhr, wir könnten auch den Abwasch machen, anstatt Witze zu reißen.
Also deckten wir den Tisch ab und bewaffneten uns mit Handtüchern.
Ben war wirklich ein cooler Typ. Er war nicht zu aufdringlich oder hatte das Bedürfnis, anderen mitzuteilen, wie toll er war. Er war eher ein ruhiger und unkomplizierter Typ. Aber wenn man ihn näher kannte, kam er mehr aus sich heraus, machte Witze oder erzählte dir stundenlang etwas über die neusten Actionfilme.
Wir waren also startbereit.
Und voll beladen. Angela und Ben trugen jeweils eine Strandtasche zu Bens Wagen, Amy hatte Angelas alten Schlafsack unter dem Arm und ich hatte ihre Tasche genommen.
In Bens VW war es dann schließlich ziemlich eng. Aufgrund meiner Größe kamen mir die meisten Autos klein vor, aber dann auch noch mit vielen großen Taschen beladen, war es noch viel enger.
Zärtlich fuhr ich mit meinen Fingern durch Amys Haar. Sie hatte ihren Kopf an meine Schulter gelegt und ihren Körper gegen meinen gelehnt. Ihre Augen waren geschlossen.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich leise.
Amy öffnete langsam ihre Augen und machte mich wieder sprachlos. Ihre Augen hatten eine große Macht über mich.
„Alles bestens.“ Ihr Lächeln eine noch viel größere. Sie musste spüren, wie mein Herz schneller pochte. „Nur noch ein bisschen -“, gespielt gähnte sie, „Müde.“
„Du hättest gestern Abend früher Schlafen gehen sollen“, sagte ich neckend.
Amy verdrehte die Augen. „Als ob ich hätte schlafen können …“ Ich war mir nicht sicher, ob ich das hatte hören sollen, also sagte ich nichts mehr dazu und zog sie noch näher an mich heran.
Sie seufzte ihr zufriedenes Seufzen und schloss wieder die Augen.
Ein paar Minuten später erkannte ich den vertrauten Wald. Gleich würden die ersten Häuser auftauchen. Der Tag konnte beginnen.
Alice hatte mit dem Wetter natürlich wieder Recht behalten. Es war ungewöhnlich warm für La Push und die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel. Dies war mit Abstand der allerbeste Sommer aller Zeiten, kein Zweifel.
Da wir früh dran waren, war der Parkplatz am Strand noch relativ leer. Nur ein paar Touristen hatten bereits ihre Lager für den Tag am Meer aufgeschlagen. Die anderen waren auch schon da. Ich erkannte die große Ansammlung von hochgewachsenen Menschen, die etwas abseits des ersten, vor allem von Touristen genutzten Strandteils, standen und ihre Decken und Handtücher ausbreiteten, sofort.
Fröhlich half ich Amy aus dem Wagen und trug wieder ihre Tasche. Hand in Hand schlenderten wir neben Angela und Ben zu den anderen und wurden sofort wieder fröhlich begrüßt.
„Hey Leute!“, rief Quil und lief schnell hinter Claire her, die aufgesprungen war.
„Seth! Seth! Amy! Amy!“ Ihr süßes Grinsen entblößte ihre kleinen Zähnchen. Kaum stand sie vor uns, umklammerte sie unsere Beine. Ich beugte mich runter und tätschelte behutsam ihr Köpfchen, während Amy sie sanft hochhob.
Sie mochte Claire genauso sehr, wie wir anderen auch und die Kleine war ganz vernarrt in sie.
Fast so sehr wie ich.
Mit unserer kleinen Freundin auf Amys Arm gingen wir lachend weiter.
Die anderen hatten sich wieder größtenteils dem Aufbau des Strandlagers zugewandt, doch die kurzen Blicke in unsere Richtung blieben uns trotzdem nicht erspart. Manchmal waren sie so kindisch …
Aber es war schon besser geworden. Wir waren nicht mehr das Thema Nummer Eins. Oder vielleicht schon, aber sie verloren irgendwann das Interesse, und gingen wieder zum Alltag über. Meiner Meinung nach auch gar nicht so schlecht.
Amy überreichte Quil seinen kleinen Schatz und fiel danach Kim und Leah um den Hals. Sie kam mit meiner Schwester auf wundersame Weise soviel besser aus, als irgendjemand sonst. Es war schon fast beängstigend. Aber natürlich freute es mich, dass sie sofort Anschluss bei uns gefunden hatte.
Auch Angela und Ben, die sich noch im Hintergrund gehalten hatten, kamen jetzt näher und als Angela ihre wiederzurückgekehrte Freundin entdeckte, lief sie direkt auf sie zu.
„Rachel!“
„Angela!“
Amys Cousine schloss Rachel in ihre Arme. „Seit wann bist du wieder da?“
„Gestern Morgen sind wir wieder gelandet.“ Sie grinste ihrem frischgebackenen Ehemann bedeutungsvoll zu. „Hawaii ist wunderschön …“
Die beiden machten sich plaudernd auf den Weg zu einem ersten Strandsparziergang, während Ben seine Decke auf den Steinen ausbreitete. Amy nahm wieder meine Hand und führte mich zu einem freien Platz zwischen den vielen schon besetzen Strandstücken. Wir waren eine ziemlich große Gruppe geworden.
Neben Quil und Emily machte sie Halt und drehte sich fragend zu mir um. „Hier?“
„Wo immer du willst.“ Ich lächelte sie an und freute mich wie ein kleines Kind über ihr Lächeln. Wie sehr ich sie liebte …
Ich breitete die Decke auf den Kieseln aus und packte die Handtücher aus der Tasche. Während Amy alles schön auspackte und sich einrichtete, ließ ich meinen Blick über die anderen Decken wandern. Wir lagen direkt im Zentrum der Wölfe. Das hörte sich komisch an, aber auf eine andere Weise konnte man es nicht sagen. Ein paar jüngere Jugendliche aus La Push lagen etwas entfernt von uns, schon näher am Touristenstrand. Der Strandabschnitt war ziemlich voll und alle Stimmen summten durcheinander. Es war ein fröhliches Durcheinander.
„Kommt Renesmee eigentlich auch noch?“, fragte Amy und ich drehte mich wieder zu ihr. Sie schaute zu Emily, aber es war Sam, der das Wort ergriff.
„Jake holt sie gerade, er ist los, kurz bevor ihr kamt.“
Amy nickte stumm vor sich hin, bis sie plötzlich zu mir herumfuhr, ihr unwiderstehliches Lächeln auf den Lippen. „Willst du schwimmen?“
„Jetzt schon?“ Ich war irritiert. Mir machte das kalte Wasser ja nichts aus, aber ihr bestimmt …
„Klar, warum nicht?“
Ich stand auf und zog mir das T-Shirt über den Kopf. „Auf deine Verantwortung.“
Ihr Grinsen wurde noch breiter, als sie mir um den Hals fiel und sich streckte, um mich zu küssen.
Quil räusperte sich. Amy löste ihre Lippen von meinen und ich seufzte. „Sorry, Claire“, sagten wir gleichzeitig, dann fingen wir wieder an zu lachen.
Ja, sie musste meine Seelenverwandte sein. Kein Zweifel.
Schnell streifte auch Amy ihr T-Shirt über ihren Kopf und schlüpfte aus ihrer Shorts, dann nahm sie wieder meine Hand und wir rannten lachend in die Fluten.
Das Wasser war nicht so kalt, wie gedacht, aber immer noch frisch genug. Für Amy noch kälter, als für mich, aber sie machte keine Aufstände. Ihr schien das überhaupt nichts auszumachen.
Wir liefen erst durch das seichte Wasser und spritzen uns gegenseitig nass. Unsere Schritte wirbelten unzählige Wassertropfen durch die Luft. Sie glitzerten in ihrem Haar wie kleine Diamanten.
Amy lachte immer noch und lief ins tiefere Wasser. An ihrer Hand folgte ich ihr bereitwillig und als ich mir sicher war, dass sie sich nicht an einem Stein die Haut aufschürfen würde, nahm ich sie in meine Arme und zog sie unter Wasser.
Das schwere Wasser drückte auf meine Ohren. Es war dunkel und kalt, aber ich spürte Amys warmen Körper, der an meinen gepresst wild um sich schlug. Mir war zum Grinsen zu Mute.
Ich stieß mich vom Grund ab, sodass ich mit ihr durch die Wasseroberfläche schoss.
Um Luft ringend warf Amy mir einen bösen Blick zu. „Du … bist so ein Idiot!“
Ironischer weise fand ich es immer äußerst lustig, wenn Amy wütend auf mich war, zumal sie nie wirklich wütend war und ich wusste, dass sie, wenn ich grinste, überhaupt nicht mehr sauer auf mich war. Sie konnte einfach nicht.
„Ich werde mich nicht entschuldigen“, sagte ich und setzte jenes Grinsen auf.
Amys Augen blitzen noch einmal auf, dann schüttelte sie den Kopf und schwamm auf mich zu. Ihre Arme schlang sie um meinen Hals. „Du bist unmöglich“, flüsterte sie, dann küsste sie mich wieder.
Mit Mühe dachte ich daran, mit den Füßen weiter zu paddeln, damit wir nicht untergingen. Es war zu einfach, alles zu vergessen, wenn sie so nah bei mir war. Eigentlich war es fast unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen oder an etwas anderes zu denken, etwas anderes zu fühlen. Alles was ich wollte war sie.
Wieder löste Amy ihre Lippen von meinen und wieder rang sie um Luft. Aber nur eine kurze Zeit, dann legte sie ihre Lippen an meine, bis auch ich einmal tief Luft holen musste.
Sie war wirklich überall. Sie ließ mich alles vergessen. Sogar unsere Zuschauer, die später wieder Witze reißen würden. Sie waren mir egal. Alles war vollkommen egal, solange Amy bei mir war.
Dann war ich komplett. Überglücklich.

Wir tauchten und küssten uns, wir schwammen und küssten uns, wir tobten im seichten Wasser und küssten uns.
Als Amy eine Gänsehaut bekam – obwohl sie in meinen Armen lag – nahm ich sie hoch und trug sie aus dem Wasser. Sie wehrte sich und wollte weiterschwimmen, doch gegen mich kam sie nicht an.
„Okay“, gab sie schließlich auf, als ich sie bereits auf ihr Handtuch legte. „Du hast gewonnen. Aber wir gehen gleich wieder schwimmen, ja?“
Ihre Augen leuchteten und strahlten mich förmlich an, aber in ihrem Blick lag noch etwas anderes.
Ich nahm mein Handtuch von der Decke und legte mich neben sie.
„Gib‘ s zu“, flüsterte ich grinsend zurück, „dir geht’s doch gar nicht ums schwimmen“ Mein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt. Alles, was ich roch und sah war Amy.
Vor Verlegenheit wurden ihre Wangen rot. „Und wenn du Recht hast?“
„Dann könnten wir auch hier bleiben.“ Sanft streifte ich mit meiner Lippe ihre.
Amy schloss die Augen. Sie klang leicht verwirrt. „In Ordnung.“ Dann lehnte sie sich vor, um wieder meine Lippen zu berühren.
Die Stimmen der anderen verblassten ebenso wie alles andere, dass nicht Amy war.
Ihre Leidenschaft verwirrte mich immer wieder aufs Neue. Sie war so süß und doch überraschend. Unersättlich und doch sanft. Sie war einfach das Wunderbarste, das diese Welt zu bieten hatte.
Ich konnte nicht sagen, ob Sekunden, Minuten oder Stunden vergangen waren, aber als die nächsten Botschaften von außerhalb zu uns durchdrangen, lag Amy, quer über mich gebeugt, auf meiner Burst und küsste mich immer noch. Ihre Hände waren in meinem Haar vergraben, meine lagen um ihre Taille. Sie machte gar keine Anstalten, von mir abzulassen, als Jake meinen Namen rief.
„Seth! Halloho?“ Seine Stimme klang belustigt, aber ich war zu abgelenkt. „Kann mir vielleicht mal jemand helfen, die beiden voneinander zu lösen? Seth, verdammt! Amy! Sagt mal, tut ihr nur so, oder hört ihr mich wirklich nicht?“
Seufzend legte ich meine Hände an Amys Wangen und schuf mir genug Freiraum, um mich auf Jake zu konzentrieren.
„Was willst du?“, grummelte ich. Meine Stimme klang heiser.
„Er lebt! Hey Seth! Amy!“ Ja, er machte sich auf jeden Fall über uns lustig.
„Was willst du?“, wiederholte ich schroffer.
„Eigentlich ..“ Während er sprach, rollte Amy sich zur Seite und legte sich neben mich. Jetzt konnte ich sehen, dass uns alle dämlich angrinsten. Wir waren nicht zu weit gegangen, oder?
„Eigentlich wollte ich nur mal Hi sagen und euch mitteilen, dass Claire und Nessie nicht sehr begeistert von eurem Treiben sind.“ Er zeigte uns seine Zähne, als er grinste. „Die zwei kommen erst wieder, wenn ihr mehr Rücksicht nehmt.“
Ich seufzte. Die beiden konnten einem jeden Spaß verderben.
Amy schaute verlegen über den Strand, dann stand sie auf und nahm meine Hand.
„Komm. Wir holen sie zurück.“ Leise, so dass nur ich es hören konnte, fügte sie hinzu: „Und dann gehen wir schwimmen.“
Lachend schüttelte ich den Kopf. Amy lächelte wieder wie vorhin. „Du … bist wirklich unglaublich.“
Die Augen verdrehend lief sie über die unzähligen bunten Kiesel. „Komm jetzt“, sagte sie.

Claire und Nessie saßen am Ufer und spielten mit den Steinen. Sie hatten eine kleine Burg samt Graben gebaut und plantschten vor sich hin.
Erst ignorierten sie uns vollkommen, redeten kein Wort mit uns. Doch als wir anfingen, sie durchzukitzeln, bröckelte ihr Wiederstand und schließlich ließen sie uns mitspielen.
Amy suchte mit Claire blaue Steine für die Mauer, während ich Nessie dabei half, den Burggraben auszubauen.
Wir arbeiteten so lange an der Burg herum, bis die beiden vollkommen zufrieden waren und uns verziehen hatten. Dass die Wellen ihr Bauwerk ziemlich bald zerstören würden, enthielten wir ihnen lieber vor.
Es war schon nach Mittag, als wir zu den Decken zurückkamen. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel zu uns hinunter und erwärmte alles.
Alle hatten sich am gesamten Strand verteilt. Einige waren schwimmen, andere gingen am Wasser spazieren, einige suchten Treibholz für ein Feuer, andere machten Picknick.
Wir schlossen uns der Picknickfraktion an.
Quil und Jake waren überglücklich, ihre kleinen Mädchen wiederzubekommen und verwöhnten sie sofort mit sämtlichen Obstsorten. War ja klar, dachte ich, aber sich über uns lustig machen.
Alle saßen um unzählige geöffnete Dosen und Schüsseln herum und unterhielten sich. Amy setzte sich grinsend neben ihre Cousine und ich zog sie an meine Brust. Mit den Fingern langte ich zu einer Schüssel und nahm eine Hand voll Hackfleischbällchen heraus, eins gab ich Amy. Lächelnd begann sie daran herumzuknabbern, während sie sich noch näher an meinen heißen Körper lehnte.
Ich stellte fest, dass auch Embry und Trisha so in unserem Kreis saßen und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich nie auch nur die leiseste Ahnung gehabt hatte, wie stark ihre Liebe sein musste. Ich hatte angefangen, all meine geprägten Brüder und ihre Freundinnen für selbstverständlich zu nehmen. Alltäglich. Ich hatte mich so an sie gewöhnt, nie daran gedacht, wie sehr sie sich wirklich brauchten.
Mein Missverstehen und Unterschätzen tat mir jetzt leid. In gewisser Weise.
Ich nahm mir vor, ihnen das bei Gelegenheit einmal mitzuteilen. Sie würden mich wahrscheinlich für total daneben halten, aber vielleicht taten sie das ja auch jetzt schon.
Ich war ihnen vor diesem Sommer ziemlich auf die Nerven gefallen mit meiner schlechten Laune, meine Freundschaft zu den Cullens verstanden eh die wenigsten und dank meiner Schwester war ich sowieso vorbelastet.
Sollten sie denken, was sie wollten, ich liebte sie trotzdem als meine Familie, und das würde sich auch nie ändern.
„Wirklich, Waikiki Beach ist nicht so wunderschön, wie immer alle sagen. Klar, schon schön, aber auch ziemlich überfüllt. Wir haben die kleinen, versteckten Buchten gesehen. Die meisten sind viel eindrucksvoller und schöner als die großen Haupttouristenstrände.“ Rachel war die einzige, die jetzt sprach und alle hörten ihr gespannt zu.
„Sie sind überhaupt nicht überlaufen, manchmal waren wir den ganzen Tag vollkommen alleine an den Stränden.“
„Und das habt ihr schamlos ausgenutzt“, unterbrach ihr Bruder sie, bevor er in sein heulendes Lachen einfiel. Auch die anderen lachten leise vor sich hin.
Ich sah, wie Paul die Lippen zusammenpresste und sich seine Augen zu Schlitzen verengten; das Zittern seiner Hände.
Beruhigend legte Rachel ihm ihre Hand auf die Schulter. „Alles in Ordnung, Paul. Lass ihn.“ Alle waren verstummt. Paul wurde wieder ruhiger. Als Rachel sich zu ihrem Bruder umdrehte, war ihr Gesicht voll von Wut.
„Jacob Black“, zischte sie, „du bist und bleibst ein Idiot.“
Jake funkelte zurück, dann blickte er besorgt zu Nessie, die Rachel wütend anschaute. Sie legte ihm ihre Hand auf die nackte Brust.
„Nein“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Nein, sie meint es nicht so. Sie ist nun mal meine Schwester, sie beruhigt sich schon wieder.“
Ich hörte Rachel leise zischen.
Amy sah mich besorgt an und ich schüttelte seufzend den Kopf.
Nein, sie würden sich nicht auf ewig hassen. Nicht wegen sowas. Ich kannte die beiden schon so lange ich denken konnte und wusste, dass ihre kleinen Streitigkeiten an der Tagesordnung waren. Für Außenstehende wirkte es, als ob sie Todfeinde waren, doch ich wusste, dass sie sich nie etwas tun würden. Sie waren nur Geschwister. Bruder und Schwester. Wie Leah und ich.
Auch wir stritten uns, klar. Aber eben nicht so oft oder so heftig, wie Rachel und Jacob. Vielleicht lag es auch daran, dass die beiden sich nicht so häufig sahen und immer lange getrennt waren, dass das ihre Art war, dem anderen zu zeigen, dass man ihn mochte. Paradox.
Jedenfalls war es alltäglich, nichts, worüber man sich aufregen müsste. Harmlos.
Außerdem sollte Paul nicht immer so überreagieren. Die anderen – besonders Jake – machten eben gern Witze über das Liebesleben der anderen – na und? Wenn ich jedes Mal ausgerastet wäre, als sie in den letzten Wochen Witze über uns gerissen hatten – ich wusste nicht, wie das ausgegangen wäre. Zahlreiche Schwerverletzte. Mindestens.
Aber ich konnte mich beherrschen, überging sie einfach. Sie waren meine Brüder und ich wusste, dass sie mich nur reizen wollten. Sie wollten Spaß machen, hatten nie wirklich vor, uns tief zu verletzen. Ich verstand sie und ignorierte es.
Aber man konnte Paul keine Vorwürfe dafür machen, dass er war, wie er war. Er konnte ebenso wenig etwas für seine hitzige Art, wie wir alle etwas dafür konnten, dass wir waren, was wir waren. Er konnte ja auch nicht viel daran ändern.
Die angespannte Lage verflog schnell, als Kim sich über die Tiere und die Natur Hawaiis erkundigte. Das Gespräch kam wieder in Gang und Jake hielt die Klappe.
Wir unterhielten uns und aßen, lachten und hatten einfach Spaß.
Natürlich kam Jake und Jared nochmal auf vorhin zurück, als Amy und ich die Kleinen vertrieben hatten.
Ich sah Amy erröten und strich ihr sanft durch das dunkelblonde Haar.
Gerade als ich mir eine schlagfertige Antwort überlegt hatte, lenkte ausgerechnet Quil das Thema auf etwas anderes.
Scheinbar hatte Claire uns gerettet.
Quil wollte wissen, wer mit zu einer kleinen Wanderung kommen würde. Die meisten wollten lieber beim Picknick bleiben, aber Amy und ich folgten ihm und Claire genauso bereitwillig, wie Jared und Kim, Angela und Ben, sowie einige jüngere Wölfe.
Er führte uns durch den nahen Wald zu den Gezeitenbecken, die Claire so sehr liebte. Es war ziemlich lustig zu sehen, wie sehr die Kleine sich über jeden Fisch freute, den sie erblickte.
„Qwil! Qwil! Da! Da! Plauer Fisch!“ Sie machte regelrechte Luftsprünge und hätte Quil nicht auf sie aufgepasst, wäre sie sicherlich das ein oder andere Mal baden gegangen.
Auch Amy verliebte sich sofort in die Meerwasserbecken und beobachtete fasziniert das Leben in ihnen.
Wir setzten uns an den Rand des größten Beckens, ich den Arm um sie geschlungen, die Füße im Wasser baumelnd, und schauten den Fischen zu, die durch das seichte, klare Wasser schwammen, den Algen, die sich gleichmäßig in der Strömung bewegten, den Krebsen, die am Grund umher liefen. Es gab so vieles zu sehen.
Auch Angela und Ben waren begeistert, obwohl das nicht ihr erster Ausflug hierher war.
„Es ist so wunderschön“, sagte Amys Cousine.
„Ja“, stimmte Ben zu. „Die Natur ist ein großes Wunderwerk.“
„Oh ja.“
Mein Blick glitt von den Becken zu Amy neben mir. Als sie sah, dass ich sie anschaute, lächelte sie mir zu und streckte den Kopf zu mir.
Schnell riskierte ich einen Blick zu Quil und sah, dass Claire beschäftigt war, dann beute ich mich zu Amy.
„Seth“, sagte sie, ihre Augen ließen keinen Zweifel an ihren Worten. „Ich liebe dich.“
Ich musste schlucken, wie jedesmal, wenn sie mir das sagte. Daran gewöhnte man sich nicht; daran, zu hören, was man einer geliebten Person bedeutete. DER geliebten Person. Dem Ein und Alles.
„Du kannst dir nicht einmal vorstellen, wie sehr ich dich liebe, wie viel du mir bedeutest.“ Ich wendete den Blick nicht von ihren Augen ab. „Ohne dich kann ich nicht mehr leben.“
Amy schlang auch den anderen Arm um mich und vergrub ihr wunderschönes Gesicht an meiner Brust. Ich küsste ihr Haar, ihre Wangen und schließlich wieder ihren Mund. Nie würde ich sie wieder hergeben. Niemals.
Bald lehnte Amy sich wieder an meine Seite, wir wurden schonwieder – oder immer noch – beobachtet und Claire war schon geschädigt genug von uns.
Hand in Hand machten wir uns wieder auf den Rückweg, lachten mit den anderen.
Von unseren Picknicksachen war nicht mehr viel Essbares übrig, aber ich hörte, dass Sam und Paul Nachschub holten.
Sie hatten bereits das Lagerfeuer entzündet, was ich etwas albern fand, da die Sonne noch lange nicht unterging und sowieso alles erwärmte. Aber wenn sie meinten.
Amy und ich blieben nicht lange am Strand. Amy bestand darauf, wieder schwimmen zu gehen, und ich hatte überhaupt nichts dagegen einzuwenden.
Der Nachmittag entwickelte sich zu einem der Schönsten überhaupt.
Wir verbrachten ziemlich viel Zeit im Wasser, spielten mit den anderen Volleyball – oder versuchten es; die Kiesel waren nicht sehr angenehm und die Mädchen brachen schnell lustlos ab, weil sie nie zum Zug kamen. Während wir weiterspielten, machten sie sich auf zu einem weiteren Strandspaziergang. Ich beobachtete sie, wie sie mit Nessie und Claire am Wasser entlang gingen und sich lachend unterhielten. Der leichte Wind kam aus der falschen Richtung, um sie verstehen zu können.
Wir aßen mit den anderen am Feuer auch die letzten Essensreste weg und lachten wieder ziemlich viel.
Als die nächste Gruppe zu den Gezeitenbecken aufbrach, blieben Amy und ich am Strand zurück. Claire und Nessie waren mit Quil und Jake wieder aufgebrochen, um die Fische zu beobachten.
Amy hatte die Augen geschlossen und lag auf dem Rücken auf unserer Decke. Auch ich hatte mich ausgestreckt und meine Beine besetzten den Großteil der benachbarten Decke mit.
Eine Weile lagen wir schweigend in der Sonne und genossen ihre spätmittägliche Wärme, doch bald rutschte Amy wieder zu mir heran und schmiegte sich an mich.
Sie drehte sich zur Seite, stützte sich auf ihren Ellenbogen, legte ihr Kinn auf meine Brust und schaute mich abschätzig grinsend an.
„Was ist?“, fragte ich verwirrt.
Anstatt zu antworten, drehte sie den Kopf so, dass ihre Wange auf meiner Brust lag und ich ihre Haare sah.
Geduldig wartend legte ich ihr meinen Arm an die Taille, doch Amy schwieg eine ganz Zeit lang weiter, atmete ruhig und schien aufs Meer zu blicken.
Sie machte mich verrückt. „Ist was?“, fragte ich wieder.
Mein nervöser Unterton brachte sie dazu, sich umzudrehen. Wieder stützte sie sich auf ihren Ellenbogen.
„Weißt du eigentlich, dass das Leben nicht schöner sein kann?“, fragte sie. „Ich mein, es ist perfekt. Alles. Du. Aber …“ Amy runzelte die Stirn und blickte in den Wald hinter meinem Kopf. „Ich weiß nicht. Meinst du, dass könnte ewig so weitergehen?“
Ich hielt den Atem an, wusste nicht, ob ich antworten konnte. Hatte sie etwa schon genug von mir?
„Was genau meinst du jetzt?“ Meine Stimme klang erstickt und besorgt, dass hörte ich selbst.
„Seth, wir müssen mal überlegen. Bald ist der Sommer vorbei, und dann? Ich kann doch nicht einfach zurück nach Washington fliegen und ohne dich weitermachen. Das überleb ich doch nicht!“
Ihr Gesicht verzog sich zu einem schmerzvollen Lächeln und ich war erfüllt von Erleichterung. Darum ging es also.
„Ich würde ja auch viel lieber einfach mit dir in den Tag hineinleben und nicht an Morgen denken, aber die Sache … beschäftigt mich schon länger.“ Amy senkte den Blick.
„Hör zu“, sagte ich und strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht. „Wir schaffen das. Wir finden eine Lösung. Ich KANN es wirklich nicht überleben, wenn du ohne mich nach D.C. zurückgehst. Entweder komm ich mit, oder du bleibst.“ Ich persönlich war für Variante zwei und hatte schon meine Pläne, aber ich wollte keinesfalls handeln, ohne Amys Segen zu der Sache zu haben.
„Wie stellst du dir das vor?“ Ihr Lachen war kein humorvolles.
„Ich könnte mich für ein Stipendiat oder einen Austausch in der Hauptstadt bewerben. Oder du dich hier. Oder …“ Ich stockte und war mir nicht sicher, ob ich ihr dieses Angebot wirklich machen sollte, ob ich wirklich die Hilfe der Cullens in Anspruch nehmen sollte. Edward hatte mir das Angebot bei unserem letzten Besuch gemacht, als er gesehen hatte, wie sehr es mich belastete, Amy gehen zu sehen.
„Oder?“ Amy sah mich hoffnungsvoll an.
„Das ist krass. Glaub mir, es war nicht meine Idee. Es war Edwards.“
„Edwards?“, fragte Amy verwundert.
Ich nickte stumm.
„Sag schon“, drängte sie, als ich es war, der nicht weitersprach.
„Er … er meinte, Carlisle könnte es organisieren, dass …“ Ich senkte den Blick, wollte ihre Reaktion nicht wirklich sehen. „ … dass dein Vater hier in die Gegend versetzt wird und ihr umziehen müsst.“
Wir beide schwiegen, Amy den Mund geöffnet, ich meine Lippen zusammengepresst.
„Was?“, fragte sie ungläubig, doch ich nickte nur.
Sie setzte sich gerade hin und schlang die Arme um ihre Knie. Ich schaute sie wartend an, aber Amy schien zu tief in ihren Gedanken versunken zu sein, um auf mich Rücksicht zu nehmen.
Die Minuten verstrichen und einzig Amys Miene wandelte sich mehrfach. Als sie schließlich sprach, war sie ungläubig, zweifelnd.
„Wie soll er das denn hinbekommen?“
„Glaub mir, Carlisle hat seine Wege und Methoden. Ich wette, die Versetzung könnte schon morgen bei euch zu Hause ankommen.“
Wieder verzog Amy ihr Gesicht und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie darüber nachdachte, Pro und Kontra gegeneinander abwog.
Ich ließ ihr Zeit. Es war eine schwere Entscheidung. Auf der einen Seite würde sie mich nicht verlassen müssen und bei uns bleiben können. Außerdem würde sie noch den Rest ihrer Familie hier haben. Andererseits musste sie ihre Freunde komplett zurücklassen. Sie würde auch ihre Eltern und ihren Bruder dazu bringen, alle Bekannten zu verlassen und nochmal von vorn anzufangen. Eine sehr schwere Entscheidung.
„Lass dir Zeit, okay?“, sagte ich und versuchte aufmunternd zu lächeln. „Wir haben noch Zeit, du musst dich nicht heute entscheiden. Denk drüber nach und wir finden eine Lösung.“
Amy nickte, noch immer in Gedanken, dann blickte sie zu mir. „Wir finden eine Lösung.“
Sie lächelte zaghaft, engelsgleich, und ich nahm sie wieder in meine warmen Arme.

Die anderen kamen wieder und die Sonne senkte sich allmählich in Richtung Meer. Langsam begannen alle, ihre Sachen zusammenzupacken, die ersten hatten sich schon verabschiedet.
Auch Amy und ich räumten alles ein. Ein großer Teil der anderen war bereits zu den Klippen aufgebrochen, um alles für die Nacht vorzubereiten, und auch wir wollten uns unseren Zeltplatz sichern.
Genau wie wir gekommen waren, liefen wir wieder Hand in Hand neben Ben und Angela am Strand zurück. Die Touristen waren auch schon überwiegend abgezogen, nur noch wenige badeten in den Fluten.
„Das war ein wundervoller Tag“, sagte Angela, als wir das Auto erreichten. „Meint ihr, morgen bekommen wir wieder so tolles Wetter?“
Ich musste ein Grinsen unterdrücken, als ich antwortete. „Ich glaube, morgen Nachmittag soll es wieder Regen geben.“
„Schade“, murmelte Angela betrübt.
„Aber ich bin mir sicher, das lässt sich nochmal wiederholen, dass wir alle am Strand entspannen.“ Fröhlich hielt ich Amy die Tür auf und erwiderten ihren Blick. Sie verdrehte spielend die Augen.
Wir fuhren schweigend zu unserem Haus, wo ich schnell das Zelt und meine Sachen holte, dann machten wir uns auf den Weg zu den Klippen.
Natürlich waren die meisten schon da und bauten ihre Zelte auf. Es sah aus, wie ein buntes Durcheinander. All die kleinen Zelte standen kreuz und quer.
Immer noch gut gelaunt nahm ich unsere Sachen wieder aus dem Kofferraum und wartete an die Karosserie gelehnt auf Amy, die sich von ihrer Cousine verabschiedete.
Ich wusste, dass ich sie nicht hören sollte, aber ich verstand trotzdem jedes Wort.
„Und pass auf dich auf.“ Angela klang besorgt um ihre Cousine und ich spürte ihren Blick in meinem Rücken.
„Keine Sorge, Ang“, versicherte Amy ihr, „es ist nicht so, wie du denkst.“
„Man kann nie wissen …“
„Vertrau mir.“
„In Ordnung.“
Dann sagte sie lauter: „Ich wünsche euch einen wunderschönen Abend.“
Ich drehte mich lächelnd um. Amy umarmte ihre Cousine. „Danke.“
„Pass auf dich auf“, murmelte sie, dann löste sie sich von Amy und stellte sich wieder neben Ben. „Bis morgen, Seth.“
„Ciao“, sagte ich, nahm Amys Hand und balancierte alle Taschen und Zelte in der anderen.
Als wir die beiden zurückließen, hörte ich Angela noch einmal seufzen.
Beim Näherkommen erkannten wir die Ordnung, in der die Zelte aufgestellt wurden. Es war kein Durcheinander, alle standen in einem großen Kreis, in dessen Mitte sich Bänke um eine Feuerstelle reihten.
Amy lief schnurstracks auf Kim zu und besetzte den freien Platz neben ihrem Zelt.
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Du willst ernsthaft neben Jared und Kim zelten?“
Von hinten bekam ich einen Schlag auf den Kopf. „Halt die Klappe, Seth“, sagte Jared lachend. „Halt einfach die Klappe.“
Ich schüttelte den Kopf, aber Amy legte unbeeindruckt ihren Schlafsack ab.
Lachend beobachte sie mit Kim, wie wir versuchten, unsere Zelte aufzubauen und spekulierten, ob wir am Ende überhaupt hineinpassen würden. Ich ließ mich von ihren Kommentaren kaum ablenken und relativ schnell stand unser Zelt.
Amy war begeistert und fiel mir um den Hals.
Jareds Kommentar entging mir nicht. „Du willst ernsthaft neben Seth und Amy zelten?“, fragte er Kim kichernd, aber die schüttelte auch nur den Kopf.
Amy kroch in unser Zelt und baute unser Nachtlager auf. Ich wartete draußen; es sollte nicht zu eng werden.
Als sie fertig war, ging die Sonne schon unter. Das Lagerfeuer war auch auf den Klippen entzündet und die anderen hatten sich schon lässig plaudernd darum verteilt. Amy setzte sich neben Leah, die sie sofort freundlich fragte, was sie Essen wolle.
Die beiden verfielen in ein lockeres Gespräch und ich hörte ihnen gespannt zu, brachte meine Kommentare ein, während ich einen Hotdog im Feuer briet.
Amy aß ganze zwei Würstchen, bis sie sagte, sie sei satt. Ich hörte nach Nummer sieben auf zu zählen.
Als die Dunkelheit hereinbrach, wurde es kälter und ich zog Amy näher an mich heran, damit sie nicht fror. Sie kuschelte sich an meine Seite und schaute verträumt ins Feuer.
Langsam wurden alle leiser, bis man nur noch das Knistern des Feuers und das Rauschen der Wellen hörte.
Dann begann Sam zu sprechen.
Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass ich die Legenden und Geschichten unserer Vorfahren hörte, doch ich war gespannt wie eh und je. Es war immer wieder ein Erlebnis, sie erzählt zu bekommen; zu spüren, wie wahr sie waren.
Auch Amy lauschte Sam gespannt. Ich hatte ihr zwar schon alle Geschichten erzählt, doch auch für sie musste es etwas Besonderes sein.
Die Zeit verging kaum merklich, aber plötzlich verstummte Sams raue Stimme und langsam erhoben sich die ersten, um in ihre Zelte zu gehen.
Amy und ich blieben noch sitzen. Ich dachte beinah, sie wäre schon eingeschlafen, doch als ich meinen Kopf zu ihr drehte, lächelte sie mich müde an.
Als ich sie gähnen sah, spürte auch ich, wie erschöpft ich wirklich war. Es war ein langer Tag gewesen.
Ein wunderwunderschöner.
Behutsam schob ich Amy zur Seite und stand auf.
„Komm“, murmelte ich und nahm ihre Hand, um ihr hoch zu helfen.
Sie stand auf, flüsterte meiner Schwester und den wenigen Verbliebenen ein leises „Gute Nacht“ zu und lief, von meinen Armen gestützt, zu unserem Zelt.
Es war ziemlich ruhig geworden, alles was man noch hörte, waren die gedämpften Stimmen vom Feuer und aus den Zelten, und das entfernte Rauschen der Brandung.
Ich wartete einen Moment vor dem Zelt, sodass Amy sich bettfertig machen konnte. Sie hatte eine Taschenlampe angeschaltet und suchte ihre Sachen zusammen.
Ich streifte Shorts und Shirt von mir und legte sie in den Eingang, dann kroch ich gebückt ins Zelt.
Es war enger, als ich gedacht hatte, aber dennoch hatten wir genug Platz.
Amy lag in T-Shirt und Shorts gähnend auf ihrem Schlafsack und lächelte mir müde zu.
„Hey.“ Lächelnd legte ich mich neben sie und blickte im schwachen Licht in ihre Augen. Sie seufzte und drehte sich in meine Arme.
Ihre Lippen fanden meine und ihr Küsse waren sehr süß.
Nie wieder würde ich sie wieder hergeben. Nie, nie wieder.
Amy seufzte und legte ihren Kopf an meine Brust. Dort gähnte sie wieder.
„Schlaf jetzt, Amy“, murmelte ich ihr ins Haar. „Träum wunderschöne Träume und schlaf gut.“
Noch einmal seufzte sie, murmelte „Ich liebe dich“ und schloss endgültig ihre Augen.
Sicher in meinen Armen schlief sie sofort ein und auch ich musste nicht lange auf die Traumwelt warten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen